Geschrieben am
Einmal jährlich küren der Architekturrat und der SIA die acht besten Masterarbeiten im Fach Architektur. Am 17. Oktober war es wieder so weit: Anlässlich der Preisverleihung an der ZHAW in Winterthur wurden die drei Preise und fünf Anerkennungen übergeben. Abräumerin des Abends war die ETH Zürich mit vier Auszeichnungen.
Eines der Siegerprojekte heisst «Ode to Joy», Ode an die Freude. Der Name ist eine Referenz an die offizielle Hymne der Europäischen Union und kann, je nach Lesart, im Kontext des Projekts ironisch oder idealistisch verstanden werden.
Mit viel Engagement untersuchten und dokumentierten Alexander Throm, Maximilian Lewark und Josiane Schmidt von der ETH Zürich die aktuelle Strategie der EU im Hinblick auf die ökologische Performance ihrer Gebäude. Bis 2030 soll das Portfolio klimaneutral sein, ein Grossteil des eigenen Gebäudebestands müsste dafür energetisch ertüchtigt werden.
Da dies aber mit Kosten und Ressourcen verbunden und das Zeitfenster eng ist, entschieden sich die Verantwortlichen für eine ebenso effektive wie günstige Lösung: Sie verkaufen den Teil des Gebäudeparks, der in Sachen Energiebilanz unter den Kennwerten liegt, und übergeben damit die Verantwortung an den freien Markt. Dieser Lösung stellen die Studierenden eine konkrete Alternative entgegen, der auf einer ausführlichen Recherche zu den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ebenen basiert. Die Jury befand: preiswürdig.
Gestaltete Infrastrukturen
Ebenso akribisch präsentierte sich ein weiteres preisgekröntes Projekt: «rbl+1» von Timo Bauer, ebenfalls von der ETH Zürich. Hinter dem kryptischen Namen versteckt sich der Rangierbahnhof Limmattal in Schlieren, dessen gigantische Fläche von 170 Fussballfeldern einen Mehrwert als Energielieferant erhalten und mittels der dafür nötigen Infrastruktur die vom Gleisfeld getrennten Gemeinden im Limmattal verknüpfen soll.
Beeindruckend an der Arbeit ist vor allem die enorme Tiefe der Bearbeitung. So sind nahezu alle Aspekte – sozial, konstruktiv, ökologisch, baulich – einer Bauaufgabe angedacht, auf allen Massstabsebenen bearbeitet und mit einer noch beeindruckenderen Konsequenz grafisch aufbereitet. Obwohl das Thema eine für Architektinnen eher untypische Aufgabe ist, plädierte die Jury mit der Auszeichnung dafür, dass sich auch die Architektenschaft in die Gestaltung grosser Infrastrukturen einbringen soll – umso mehr, wenn diese aufgrund aktueller Herausforderungen wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum zunehmen werden.
Im Auge des Krans
Während sich die ersten beiden preisgekrönten Arbeiten mit Themen auf internationaler bis regionaler Ebene beschäftigten, entschied sich Pauline Sauter, ETH Zürich, mit «Re-Arrangements» für einen lokalen Ansatz. Sie bearbeitete das (schon oft beplante) Grundstück rund um den Busbahnhof in Zürich: Das bestehende Parkhaus soll zu einem Wohnhaus umgebaut werden – wo sich Potenzial ergibt, wird zusätzlich punktuell verdichtet. Funktional wie ästhetisch bestechend ist dabei die Idee des Krans im Zentrum des Grundstücks. Er ermöglicht es, einzelne Komponenten ökonomisch und unkompliziert zu neuen Bauten zusammenzustellen. Was einfach klingt, ist konstruktiv bis ins Detail ausgearbeitet.
Den Verfassern und Verfasserinnen der drei preisgekrönten Entwürfe ist gemein, dass sie den Pflichtteil der Aufgabe virtuos erfüllen, aber darüber hinaus mit überdurchschnittlicher Tiefe, Engagement und Esprit überraschen und überzeugen.
Anerkennungen an ETH, HTA Freiburg und EPFL
Trotzdem war der Jurierungsprozess kein einfacher, wie BGA-Mitglied Philippe Jorisch in seiner Laudatio bei der Preisverleihung verriet. Über eine Stunde diskutierte die Jury über die Verteilung von Preisen und Anerkennungen. So etwa beim Projekt «Radikal lokal. Campus Irchel – universitäres Wohnen am Strickhof» von Steven Malischke (ETH Zürich), das letztlich eine Anerkennung erhielt. Dessen Ansatz, die Elemente für einen Neubau ausschliesslich aus der nächsten Umgebung zu beziehen, könnte eine Antwort auf die Frage sein, wie man heute überhaupt noch neu bauen kann.
Die Summe der ausgezeichneten Arbeiten, darunter auch zwei Beiträge der EPFL, die Umbauten ehemaliger Industriebauten thematisierten, sowie eine Zukunftsvision zu Wohnnutzungen und eine poetische materialwissenschaftliche Studie (beide HTA Freiburg), zeigt die grosse Bandbreite des Architektenberufs. Das ist tatsächlich ein Grund zur Freude.
SIA Masterpreis Architektur
Mit dem Preis zeichnet die Berufsgruppe Architektur BGA des SIA zusammen mit dem Architekturrat der Schweiz die besten Masterarbeiten im Bereich Architektur aus. Alle Projekte, die im Herbstsemester 2023 oder im Frühlingssemester 2024 abgeschlossen wurden, qualifizierten sich für die diesjährige Auswahl. Die Nomination der Arbeiten erfolgt durch die jeweiligen Schulen, eine unabhängige Jury prämiert acht Projekte. Dotiert ist der Preis mit gesamthaft 14 000 Franken.
AUSZEICHNUNGEN
PREISE (je 3000 Franken)
Pauline Sauter, «Re-Arrangements», ETH Zürich, Professur Maria Conen, Max Maurer
Alexander Throm, Maximilian Lewark, Josiane Schmidt, «Ode to Joy», ETH Zürich, Professur An Fonteyne, Arno Brandlhuber
Timo Bauer, «rbl+1», ETH Zürich, Professur Alexandre Theriot, Silke Langenberg
ANERKENNUNG (je 1000 Franken)
Steven Malischke, «Radikal lokal. Campus Irchel – universitäres Wohnen am Strickhof», ETH Zürich, Professur Elli Mosayebi, Arno Schlüter
Meryl Barthe, Noémie Perregaux-Dielf, «DIS/ASSEMBLE: a monument to progressive deconstruction», EPFL, Professur Sarah Nichols / Amy Perkins
Léo Laurence, «Habitus – un garage haussmannien comme milieu liquide» HTA Freiburg, Professur Götz Menzel, Dafni Retzepi
Enzo Migliano, «Habiter la Grande Profondeur – reconversion de l’Entrepôt pour Tabac d’Orient, Boncourt (JU)», EPFL, Professur Marco Bakker / Alexandre Blanc
Gaëtan Dousse, «L’architecte-artisan : tactiques architecturales pour un présent épais de l’ardoise de Frutigen et de Dorénaz», HTA Freiburg, Professur Hani Buri, Daniel Zamarbide, Carine Pimenta
JURY
Olga Cobuscean, Hannover / Berlin
Elena Fontana, Lugano / Zürich
Andreas Haug, Zürich
Guillaume Henry, Lausanne
Anne Kaestle, Zürich
Søren Linhart, Luzern / Sarnen
Thomas Pulver, Bern / Zürich
Barbara Thüler, Zürich